Der kürzeste Tag des Jahres und Fragen über Fragen.

Drüben geht die Sonne unter, die Welt wird Glut. Drinnen hängen Fragen im Fenster neben Sternen und leuchten. Zum Beispiel, warum stellen Menschen persönlichste Fragen, warum warten sie nicht einfach, ob man selbst etwas erzählt? Überhaupt, Fragen im Smalltalk. Die besten Gespräche sind doch die, in denen ein Wort das andere hervorbringt, ein Lächeln den Raum weitet, eine Wärme den Raum so füllt, dass es leicht ist, zu erzählen. Ganz ohne eindringliche Fragen. Nur erzählen. Ganz britisch!

Von weiten Feldern, vom Leben, davon ob oder wie man Weihnachten verbringt und mit wem, oder auch nicht.

Stattdessen werden Fragen abgehandelt, man fragt sich gegenseitig auf Weihnachtsfeiern, an letzten Arbeitstagen, und wer das nun liest und denkt, was ist denn das Problem, wenn man fragt „und, feierst du Weihnachten mit deinen Eltern?“ oder „Bist du Weihnachten auch zu Hause?“, und mit „zu Hause“ ist dann der Ort, an dem die Eltern jetzt wohnen gemeint, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du weiterlesen solltest, liebe Person, die sich fragt, wo das Problem ist.

Es ist ähnlich wie das Thema „Hast du Kinder?“ als zweite Frage in einem Gespräch unter neuen Kolleginnen, dabei trifft mich diese Frage nicht einmal, aber ich kenne genug Menschen, denen diese Frage wie ein schmerzhafter Nagel unter die Haut fährt, und weil ich das weiß, stelle ich eine solche Frage nie und möchte sie auch nicht gestellt bekommen. Die Menschen, die Kinder haben, erwähnen sie sowieso unentwegt. Und wenn nicht, wird es seine Gründe haben.

Weil ich nicht nur von meinem eigenen Erfahrungsschatz ausgehe, sondern weil ich versuche, mich in andere Universen zu begeben und herauszufinden, wo dort die Felsen stehen und wo das Meer liegt und welche Täler es gibt, stelle ich auch nie die Frage: „Hast du einen Partner oder eine Partnerin“, übrigens an beide Geschlechter, weil auch das jene Menschen, die es erzählen wollen, schnell erwähnen, und die anderen werden ihre Gründe haben.

Es ist genauso mit der Frage, „wie viele Geschwister hast du und wenn ja, wie viel Kontakt hast du zu ihnen?“, eine Frage, die wiederum in meinem Universum ein Erdbeben auslöst, ebenso wie die Frage nach Weihnachten. Und das hängt ja alles miteinander zusammen.

Ich habe einmal das „Kartoffelsalatproblem“ beschrieben, nämlich, dass Menschen, die davon berichten, wie stressig es sei, dass der Schwager zu Hause dann den Kartoffelsalat nicht möge, den Mama auf den Tisch bringe, ja, und dass man quer durch die Republik mit dem Zug fahren müsse, aber Papa habe schon die Tanne im Auto, wenn er einen abhole, das möchte ich alles nicht abwerten, wenn Du also ein Mensch mit Kartoffelsalatproblemen an Weihnachten bist, ich höre Dir gerne zu, aber höre doch auch bitte mir zu.

Natürlich habe ich blinde Flecken, bestimmt übersehe ich auch vieles, allerdings stelle ich eher wenig Fragen, zumindest was Menschen angeht, mit denen mich noch nichts Inniges verbindet. Die besten Gespräche finden im Gehen statt, eine Geschichte an der anderen gereiht und die schönsten Fragen sind jene, die man sich selbst stellt, weil der andere einen guten Gedanken äußert, oder die jemand einem stellt, der sich eingefühlt hat.

Würden wir nicht so abgehakt werden, würden wir nicht diesen Katalog vorgelegt bekommen, würden wir einander doch anders begegnen mit weiten Horizonten, in denen Farben vorkommen, die noch keine Namen haben.

Und ich möchte nun auch nicht hören, dass man doch keine bösen Absichten habe mit den Fragen. Mich interessieren die Absichten jener nicht, die fragen „warum hast du keine Kinder?“ oder „na, wann ist es dann bei euch soweit?“, weil mich diese Menschen ab dem Augenblick nicht mehr interessieren. (Die zweite Frage wird gerne Frauen gestellt, die gerade geheiratet und vier Fehlgeburten hinter sich haben, die sie still verbergen, das habe ich zumindest beobachtet).

Meine Schotten sind inzwischen nahezu dicht; dafür ist mehr Raum für jene Menschen, deren Leuchten durch die Luke in den Schotten dringt. Menschen, die so etwas nie fragen würden, weil sie um Universen wissen. Weil sie wissen, dass die Welt voll verschiedener Farben und Töne ist und dass nicht alle gleich sind.

Nun könnte jemand mir vorwerfen, ich solle den anderen eine Chance geben. „Sag denen das doch, vielleicht wissen die es nur nicht.“ Nein, das ist nicht meine Aufgabe. Es ist nicht mein Job, erwachsenen Menschen Empathie nahezulegen, jedenfalls nicht im privaten Zusammenhang.

Und all jenen, die auch keine Kartoffelsalatprobleme kennen, möchte ich zurufen: Ihr seid nicht allein! Wir machen das alles so, wie wir es wollen – wir vergleichen uns nicht mit den anderen – wir feiern mit Tulpen oder ohne, mit unseren Wahlmenschen, oder alleine, mit großen Lieben, oder wir feiern eben nicht, mit Geschenken, ohne Geschenke, oder gehen wir doch spazieren, während sich die muffige Weihnachtswolke in Wohnzimmer drängt.

Wir müssen Weihnachten nicht toll finden, aber wir müssen uns nicht beschissener fühlen, nur weil wir nicht mit unserer Herkunftsfamilie feiern oder mit einer eigenen großen Kinderschar, ich tue Ersteres nicht mehr, seit ich 23 bin, dafür feiere ich seitdem mit meiner großen Liebe und mal mit Gästen oder als Gäste und meist ohne Gäste und fast immer ohne Baum und mit eigenen Traditionen, Luft und Blumen; das konnte ich erzählen, weil Du bis hierhin zugehört hast, weil Du mir den Raum gegeben hast, ihn nicht durch eine Frage torpediert hast, weil meine Luke offen blieb für Dich.

 

 

 

 

Was ich früher nie sein wollte, aber.

Den Titel und das Thema für diesen Artikel habe ich @leonceundlena zu verdanken. Und seit bald einer Woche verweilen meine Augen auf dem Wort „was“.

Weil mein Gehirn fortwährend das „was“ durch ein „wie“ ersetzen möchte, weil die Frage, die dann entstünde, soviel einfacher zu beantworten wäre. Obwohl.

„Was ich früher nie sein wollte, aber“ lässt sich vielleicht mit „jemand, der“ herausfinden.

Nun habe ich versucht herauszufinden, ob ich auch „jemand, die“ schreiben kann. Geht nicht. Womit ich beim ersten Punkt wäre:

„Jemand, der“ Sprache verkompliziert, um in der eigenen geschlechtlichen Identität sichtbar zu sein, bzw. andere sichtbar zu machen, aber ich merke, dass die gläserne Decke sonst nie zerbrechen wird.

Was ich sonst noch früher nie sein wollte, aber?

Jemand, der:

– vor 10 ins Bett geht, aber eben vor halb 7 aufstehen muss.

– vor halb 7 aufstehen muss, aber es ist gar nicht so schlimm.

– nicht mehr im Chor singt, aber Gruppen nach Feierabend sind eben Gruppen nach Feierabend, und in Chören bin ich sofort jemand, der anderen hilft, weil ich es kann, wie den ganzen Tag, und dann muss ich auch noch auftreten, aber das Wochenende gehört mir, und das drucke ich auf ein T-Shirt, wenn mich wieder jemand fragt, warum ich nicht im Chor singe.

– einen Beruf ausübt, der mich am Chorsingen hindert, doch er hat mich schleichend erobert, und irgendwann erobere ich mir ein neues Feld. Aber nicht schleichend, sondern mit Trompeten und Pauken.

– sehr viel Miete bezahlt, aber Hamburg.

– gerne Auto fährt, aber wie wunderbar es ist, einen kleinen eigenen Raum der Privatheit um sich herum zu haben und dabei auch noch voranzukommen.

– einseitig verzeiht, aber, hey Glück.

– nicht perfekt ist, aber bestimmt finde ich mich eines Tages damit ab.

– nicht mehr jeden Donnerstag im Kaiserkeller tanzt, aber liebes 21jähriges Ich, komm Du erstmal in mein Alter.

– zu jemandem sagt: „Komm Du erstmal in mein Alter!“, aber.

– im Internet was schreibt, aber sonst kennte ich @leonceundlena nicht.

Zum Schreiben nah.

Namen sind ein ganzes Universum. Ihre Buchstaben verschwinden hinter Bergen, Seen, Tälern, Säulen; in Räumen und in Formen. Das Merkwürdige an Namen ist, dass ich sie nicht rein synästhetisch sehen kann. Weil sie meistens in Verbindung mit einem Menschen auftraten und Menschen stärker auf mich wirken als Gegenstände, haben sich die jeweiligen Menschen mit ins Wortbild geschoben. Und dort bleiben sie. D. h. es schweben auch Gesichter mit durch die Abbildungen in meinem inneren Raum, wenn ich sie beschreibe.

So greife ich nach Fetzen und beschreibe doch nur einen Bruchteil. Ein fluffigeres Thema wäre sicherlich angemessener gewesen am heutigen Bloggeburtstag, doch ich will mich bedanken und zum Bedanken gehört manchmal auch, Fetzen zu fangen für jemanden.

Hier sind Eure Namen.

Zwischen Sisi und Sissi besteht tatsächlich ein Unterschied. Zwar sind beide hell und natürlich taucht Romy auf, obwohl sie es hassen würde, dennoch: Romy, strahlend im Wald. Also Sissi. Wie im Marischka-Film geschrieben.

Sisi hingegen ist der Kosename der wirklichen Kaiserin und daher ist das die korrekte Schreibweise; Sisi ist weiß und grau. Vornehmer. Spitzer. Feiner. Sissi ist einfach nur gelb. Mit einem kleinen grauen Anteil. Außerdem hüpft der Name auf einem Trampolin.

Bei Sisi sieht man einen Hut auf dem S und ihr älteres Gesicht schaut unzufrieden von links in den Raum hinein. Sissi birgt das Romystrahlen. Im Grunde ist das eine realistische Abbildung, denn die wahre Sisi hat weniger gestrahlt als z. B. Turnübungen und fragwürdige Lyrik betrieben.

Erik ist goldgelb, weiß und das E blickt vorwitzig in den Raum hinein, spielt sehr albern Schach und schon taucht der erste Erik auf, den ich kannte, und baut aus einem Schachnotationszettel einen Schleier für die Dame, grinst. Das E ist goldgelb, vielleicht auch weizenfarben und bestrahlt den Namen. Im Hintergrund das Klassenzimmer der 7c, düsterbraun und tafelgrün.

Thomas ist ein Junge, der Latzhosen trägt und über dem Namen hockt, dessen Buchstaben sich solide hellblau und weiß im Wortraum aufstellen. Thomas trägt einen blonden Potthaarschnitt und eventuell spielen wir gleich etwas. Als Kind wünschte ich mir, dass mein Bruder Thomas heißen möge, weil das in meinen Augen ein „normaler“ Name gewesen wäre und in jener Welt hätte ich dann gerne Claudia geheißen.

Katja ist ein roter Name dessen K untrennbar mit den blonden kurzen Haaren der Babysitterin Katja verbunden ist, die meinem kleinen Bruder einen Löffel Brei in den Mund schiebt, und deswegen ist das auch alles in der elternhausigen Diele zu sehen am Esstisch. Wenn ich mich sehr stark konzentriere, dann verschwindet Katja im Wort und der Name steht rot (mit ein wenig Blond und Lila) sehr stark und brennend (im besten Sinne) im Wortraum. Im Hintergrund ist eine Ferienhütte.

Rosa beginnt mit einem grauen R, wird dann rosa, natürlich, da bin auch ich nicht frei von. Rosa trägt Gewänder, verschiedene Lagen übereinander, alle weich und das Wort ist eine vornehme Dame, älter bereits. Dabei schiebt sich jene Rosa, die ich kenne, auch von links in die Kulisse und ihre Ponyfrisur nimmt das Bild kurz ein. Doch dann, plötzlich, sind da wieder alle Buchstaben, sie gewinnen und das O ist ein Spiegel, wie er in Märchen gezeigt wird. Und der Name steht in einem Märchenwald, es ist alles sehr aufregend.

Luis ist ein kompakter, eindringlicher Name, der rot beginnt und grauweiß endet. Luis‘ L bringt ein paar Blüten an seinem Namen an, vorne, fast ornamenthaft. Die zweite Silbe ist bei näherer Betrachtung blütenweiß, das Grau verschwindet; die Buchstaben tragen schwarze Schatten. Der Klang bleibt rot und klar.

Jadwiga ist ein Name, den ich noch nie gehört, nur gelesen habe. Er beginnt prinzengrau und endet hellweiß. Mehr weiß ich dazu nicht zu sagen, ich müsste ihn hören, es wäre dann noch ein schwarzer Zylinder dabei, denke ich. Nach einem Hörtest muss ich sagen, ist der Name doch eher grau.

Sabine ist grau und lila und schwarz und gelb. Sabine trägt eine blonde Frisur nahe dem S und andererseits sitzt die erste Sabine, die ich kannte, in einem langen Friedensdemonstrationskleid links im Bild und die wiederum ist braunhaarig und bebrillt. Skeptisch und kritisch schaut sie die Buchstaben an, die von ihr weg wollen, weil der Name möchte, dass ich ihn mag. Sabine klingt ohne sie besser, nach Klang und Sommer, nach jemandem, die zuhören kann und vordringlich goldgelb und lila. Ohne die Intitialsabine einzubeziehen, stelle ich fest, dass der Name wunderschön ist und liebegelb aussieht. Warum nennt niemand mehr seine Töchter Sabine? Los!

Wassili ist ein weißschwarzer Name, der tatkräfig und mutig den inneren Raum betritt. Man weiß, nun wird alles gerichtet. Das W macht sich breit, jedoch nicht zu sehr, auch andere Buchstaben haben Platz. Der Raum wird weiß, das Schwarz verschwindet, je mehr man hinschaut.

Akina ist ein weiterer Name, den ich noch nie gehört, nur gelesen habe, dennoch wölbt er sich schwarzlila ins Bild, das sind gute Farben, nicht grell, eher bescheiden. Im Hintergrund ist Wald, das wiederum wirkt etwas unheimlich, gleichzeitig faszinierend, je nachdem, ob man allein ist oder mit jemandem zusammen, oder ob man wenigstens das Lichtschwert dabei hat. Und am Ende steht eben doch das zitronengelbliche „ina“, das man nur sieht, wenn man mutig genug war, heranzutreten.

Ronja, ach Ronja. Es ist schwer, den Namen von der Räubertochter zu trennen. Das Buch war grün, da stand der Name drauf, so wurde mir der Name vorgestellt. Aber wenn ich mich sehr konzentriere, dann ist der Name schwarz und braun, erdig, nicht grün. Das R ist ornamentverziert und in diesen Ornamenten versteckt sich Silber. Dann gibt es sogar einen lila Hauch. Im Hintergrund steht natürlich der Wald. Ein Wald mit Hügeln und Tälern, kein Himmel, alles tannengrün.

Yvonne ist ein lila Name mit schwarzgrauen Anteilen und zart. Yvonne steht in einem dunkleren Raum, man kann sich auf den Namen verlassen, Yvonne ist da. Plötzlich fliegt etwas Weißes in Richtung des Y. Das sieht man, wenn man Geduld mitbringt. Und dann erst schiebt sich Yvonne aus der Parallelklasse ins Bild. Sehr gestreift bekleidet, mit schweren braunen Locken sitzt sie in ihrer Karottenjeans links im Raum, gerade, und schaut an mir vorbei.

Kai und Kay sind blau und weiß. Sehr grau ist der Hintergrund, auch der Hafen ist zu sehen, denn der erste Kai, der mir vorgestellt wurde, war Kapitän. Deswegen fliegen auch Möwen ins Bild hinein. Ich höre Möwen. Kay mit y steht mit einem Bein im Hafenbecken, sonst ist alles gleich. Also das K.

Kai als Frauenname sieht ähnlich aus, jedoch entfernt sich die Hafenkulisse zugunsten eines blondlockigen Mädchens mit Reiterstiefeln im K, die Locken sind kurz. Ich weiß nicht, ob ich es kenne.

Angela ist ein Name, der wie ein Zauberspruch aussieht. Angela, Kadabra, Fidibus. Angela ist farblich ein wenig gedämpft, nichtsdestotrotz zuverlässig olivgrün, lila. Das A trägt eine braune Ponyfrisur. Und irgendwo im Hintergrund steht eine Glocke. Angela, der Name, bewegt sich von links in den Wortraum hinein, der sehr waldfarben ist. Oben aus dem Namen heraus schießt das Bild der Bundeskanzlerin, allerdings aus Zeiten, als sie noch keine Bundeskanzlerin war. Sie erhebt sich über den Namen und mustert mich vom Himmel aus.

Ina ist hellzitronengelb. Das I ist ein Mädchen und trägt einen hellblauen Pullover, was einem bewusst wird, wenn man sie schon länger kennt. Das I hat in diesem Zusammenhang blonde Haare bis zum Kinn. Ina steht links in einem hell erleuchteten Wortraum und schaut mich an. Ihr Blick ist etwas verlegen geneigt, ihre Augen schimmern blau. Denn aus dem Namen heraus tritt ein Mädchen, das es möglicherweise einmal in meinem Leben gab. Im Hintergrund ist alles weiß und grau, vielleicht Wolken.

Helene ist ein Name, der den ganzen Horizont ausfüllt. Ein Name, der eher liegt als steht und zwar wie die alten Römer lagen, ja, Helene weiß, wie sie den Raum besitzt. You own the room! Dabei ist sie farblich bescheiden. Sehr erdverbunden, ein Herbstblattgelb, ein Baumstammbraun, die Buchstaben verschwinden hinter ihrer Präsenz. Allerdings ist das H säulenhaft stabil. Helene ist stark, wir können uns an ihren Namen anlehnen.

Jess ist silberweiß und ziemlich schnell. Jess fliegt von links in den Wortraum hinein, der sofort auch silberweiß ausgeleuchtet ist. Grau ist ebenfalls enthalten. Das J hat ein Gesicht und das wird im Profil nach links außen gezeigt. Irgendwie ist es aber auch ein Stiefel. Das J. Es ist nicht so ganz klar.

Das waren die Namen zum heutigen Bloggeburtstag. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Blog! Du hast die beste Leserschaft, was soll man Dir noch wünschen.

Versprechen, Geburtstag und Namen

Einmal habe ich mir selbst das Versprechen gegeben, keine Namen mehr zu beschreiben. Überhaupt, nicht mehr über meine Synästhesie zu schreiben, sondern sie nur noch beiläufig zu erwähnen, durch sie zu sehen, ja.

Jedoch habe ich eine reizende Leserschaft, die meine Blogartikel auf Twitter und auch auf anderen Kanälen, die ich gar nicht kenne, teilt und liest und akzeptiert, dass ich nur noch selten eine Antwort gebe, auf die Frage, was für eine Farbe ein Wort habe.

Was (fast) alle gemeinsam haben, ist die Frage nach den Namen. Welche Farbe der eigene Vorname habe. Offenbar ist das eine sehr wichtige Frage.

Relativierend weise ich stets darauf hin, dass es lediglich meine Wahrnehmung sei, meine Farben, ja, das wisse man, aber gerade darum wolle man es wissen.

Und weil mein Blog an Silvester Geburtstag hat, und weil an Geburtstagen Zauber geschieht, wird mein Versprechen an mich selbst schlankerhand von mir aufgelöst. Ein letztes Mal, wirklich! Namen beschreiben ist einfach zu aufreibend, weil alle, die ihn tragen und trugen, um mich herumstehen und vor mir ins Bild treten und manchmal auch das Bild treten oder die Buchstaben oder, oder.

Namen können bis Montag, den 31.12.2018 um 12 Uhr, eingereicht werden.

Allerdings: Bitte nur ein Name pro Person. Und: Bitte prüfe, ob Dein Name schon einmal von mir beschrieben wurde, z. B. per Suchfunktion auf meinem Blog oder direkt:

Namenaktionswoche 1

Namenaktionswoche 2

Namenaktionswoche 3

Namenaktionswoche 4

Noch zwei Namen

Mein Name

Wie ich deinen Namen sehe

 

 

 

 

Über die wahre Bedeutung von Sommer, Schwielen, Katzen und mehr.

Inspiriert von: https://twitter.com/sasa_s, https://twitter.com/tzpazifist, https://twitter.com/Giselheid22, https://twitter.com/frachtschiff, https://twitter.com/q_addib, https://twitter.com/Wurstillion, https://twitter.com/marta_schwarz, https://twitter.com/leonceundlena, https://twitter.com/alilicj, https://twitter.com/nana_beriel, https://twitter.com/henrycdorsett

Der Sommer rückt näher, darauf verweist die Singdrossel, die ihre abendlichen Variationen auf Brahms o.ä. von 21.15 Uhr auf 21.45 Uhr verschoben hat. Das ist gut, denn wer möchte sich nicht pünktlich zu ihrem Konzert einfinden, es wäre sonst herzzerbrechend, oder. Das sind die Abgründe des Sommers, dass diese Vögel, wie auch Bäume, das Sattgrün der Blätter sowie der träge Himmel in Blau schon wissen: es ist alles begrenzt. Jede Freigängerkatze weiß das vielleicht – wobei wir nicht wissen, ob sie weiß, dass sie etwas weiß oder es nur spürt. Was heißt da „nur“. Spüren ist doch die Königsklasse des Bewusstseins, wenn wir spüren, was wir brauchen, wissen wir doch alles.

Wenn ich ein Baum wäre, ja dann. Ich wüsste noch mehr, weil ich mit meinen Nachbarn durch die Wurzeln spräche. Und ist das nicht wiederum die Krönung der Intimität: durch Wurzeln kommunizieren, dabei unentdeckt. Die Außenwelt sieht nichts, weiß nichts davon, denkt, da steht eben ein Baum, dabei weiß der Baum mehr, z. B. wann die Singdrossel kommt. Wenn ich ein Baum wäre, würde ich alles tun, damit die Singdrossel nicht von einer Freigängerkatze bedroht wird, z. B. mein Laub so vor sie drapieren, einem Vorhang gleich, dass man sie nicht sieht. Es gibt nämlich Begegnungen, die sollten verhindert werden. Es gibt auch Begegnungen, die unersetzlich sind.

Es gab einen Sommer, in dem wollte ich gerne Tennisspielerin werden. Vielleicht war ich 11, eventuell 12. Ich hatte schon eine Strähne, die mir ins Gesicht fiel, was ich heimlich sehr nervig fand. Natürlich spielte Steffi Graf eine Rolle, vor allem jedoch dieses Tennisgefühl. Es wurde ein Tennisschläger angeschafft, sogar zwei, genau weiß ich es nicht mehr, und fortan spielten mein Bruder und ich auf der Straße Tennis. Das war das Gegenteil von Dissoziation: Draufhauen, da sein, Schwielen schwitzen. Die Technik zeigte uns eine Tochter von Freunden der Familie, sie spielte im Verein, war reich und wusste vielleicht alles über Vampirtintenfische, denn sie war sehr gut in der Schule. Zumindest lernten wir von ihr Vor- und Rückhand. Wir spielten fortan oft und zwischendurch wischte ich mir die Strähne aus dem Gesicht. Manchmal gab es kleinere Kinder, die den Ball holten, aber sie verstanden nicht, dass sie dafür in Windeseile die Plätze tauschen mussten, ach, die waren einfach schwer von Begriff, sie waren eben klein.

In meiner Phantasie gab es ein Netz in der Mitte. Eines Tages wollte ich den Aufschlag üben, weil ich fand, dass Tennis ohne Aufschlag kein richtiges Tennis sei. Aufschlag war schwer, ich musste versuchen, den Ball loszulassen und im richtigen Moment zu treffen, er flog zu hoch, das Blau des Himmels traf mich laut. Kurz vergaß ich, wer und wo ich war.

‘A boy suddenly turns into a tennis racquet. It helps him understand the true meaning of summer.’ @MagicRealismBot

Wenn ich an Sommer denke, dann an das Geräusch eines Tennisballs auf Asphalt. In die Stille hinein. Manchmal in die nachmittägliche Stille. Wenn ich an Sommer denke und an das Geräusch eines Tennisballs, denke ich auch an die Aufpralllaute eines Tennisballs an die Wand. Manchmal mit Schläger. Manchmal in Form von „Eierhüpfen“. Das war der beste Sport! Es gab einige Wände, an denen das gut ging: Einmal auf der Terrasse des Gartens. Weil das Haus ein Bungalow war, war das riskant, dennoch möglich, es war eine Sache äußerster Disziplin, die Bälle nicht auf das Dach zu werfen. Meine Großmutter, die Dame, die stets aufrecht saß und nie eine lose Strähne im Gesicht hatte, spielte ein paar Mal mit mir. Es gibt ein Foto, auf dem schwingt ihr Faltenrock hoch und ihre langen Beine schaffen es, über den Ball zu kommen. Ich dachte, dass sie unsterblich sei.

Obendrein gab es die Wand an der Kirche. Die war besser geeignet, weil sie höher war und außerdem gab es dort Zaungäste, beispielsweise die Frau, die immer rauchte. Außerdem gab es eine Wand an der Grundschule. Die war sehr, sehr hoch und dort kamen augenblicklich die Töchter des Hausmeisters, die ich verehrte, denn sie waren etwas älter und blond. Vor allem waren sie sehr lieb zu mir und hatten Namen, wie ich sie wollte, nämlich Namen, die alle hatten, nicht so einen Namen wie ich, den niemand hatte.

Manchmal übte ich dort auch mit dem Tennisschläger. All das tat ich im Sommer. Die Sommer waren sehr lang, was daran lag, dass es nichts zu tun gab, außer, die Zeit zu verbringen zwischen den Mahlzeiten. Es gab den einen Tennissommer, danach wurde es uninteressant, weil Tennis ohne Netz und ohne Aufschlag eben doch kein richtiges Tennis ist. Das ist wie Sommer im Glas. Irgendwie schön anzusehen, doch viel zu klein. Seitdem jedoch kenne ich die wahre Bedeutung von Sommer. Etwas vollkommen Sinnloses tun, und das Geräusch eines Balls auf Asphalt.

So weit, so grün.

Es ist so, dass ich seit einer Woche an einer der Stadtgrenzen wohne, dort wo die Stadt in den Wald übergeht, in Felder, in Seen, in Moore. Vorher wohnte ich in einem Stadtteil, der urban war und seit einigen Monaten „total angesagt“ irgendwie, vor allem bei sehr jungen Menschen, die mal etwas Urbanes, Hippes ausprobieren wollen und von ihren Eltern, die froh sind, dass sie endlich ausziehen, eine Wohnung gekauft bekommen.

Spätestens als die Blumenhändlerin ihren Laden schloss, aus gesundheitlichen Gründen, was mir das Herz zerriss, wollte ich da auch nicht mehr wohnen. Alte Menschen musste man mit einer Lupe suchen, weil sie von Designerkinderwagen überrollt worden waren. Jetzt kann man sagen, Piksyn, Du redest Dir das schlecht, das ist typisch bei Abschieden, vielleicht, aber der Taxifahrer hat das bestätigt!

Am Nachmittag vorm Umzug ging ich noch einmal zum Supermarkt, auch weil da noch einer in der Nähe war, das wollte ich auskosten und traf den KFZ-Mechaniker aus dem Nachbarhaus. Ich sagte, hi, ich ziehe leider weg, ich komme nicht mehr, danke für alles nochmal und er sagte, hi, ich ziehe auch weg, das wird alles abgerissen, und es werden zwei Mietshäuser gebaut.

Für ihn selbst sei das eine Möglichkeit, neu anzufangen, das freute mich für ihn, aber für den Blick vom Sofa aus in die Marypoppinsschornsteinwelten wäre das eine Katastrophe gewesen, deswegen, „alles richtig gemacht“ und so. Unvorstellbar, der letzte Grund, die Wohnung zu lieben: der Blick von der Chaiselongue in den Himmel, er wäre verloren gewesen. Vom Balkon gar nicht zu sprechen und natürlich wären das Wohnungen geworden für 27 Euro/qm Kaltmiete und nicht auszudenken, wer dort eingezogen wäre.

So fiel das letzte Packen mehrere Spuren leichter, in 5 Monaten wird abgerissen. Dann kam der Umzug, eine Wolke von Kompetenz erfasste beide Wohnungen, zack, da.

Nun wohne ich also in der anderen Himmelsrichtung und bis Sommer fahre ich jeden Tag einmal durch die Stadt zur alten Arbeit, die ab Sommer auch aufhört und dann bin ich eine, die im Grünen wohnt und im Grünen arbeitet. Und nicht mehr eine, die „zyklisch pendelt“.

Wobei ich immer gedacht hatte, ich brauche die Stadt, und dabei war ich nur noch im Grünen, in jeder freien Minute, immer auf der Suche nach Stille und Vögeln, die nicht schreien, sondern singen.

Und eventuell wohnt hier eine Nachtigall, es ist ein Vogel, der immer um 21.15 Uhr zu einem Lied anhebt, nur in der Dämmerung, er singt verschiedene Variationen, und ich bekomme einen Kloß im Hals.

Zunächst fiel es übrigens schwer zu schlafen, es war zu still. Das kannte ich nur aus Urlauben im skandinavischen Raum, dass es das auch in der Stadt gibt, war mir nicht klar gewesen. So lag ich da und hörte: Nichts. Und dachte: Niemand schreit, niemand „cornert“, niemand gröhlt, niemand redet laut, keine Straße rauscht lauter als die Gedanken und hatte ich erwähnt, dass ich vorher in der Nähe eines Krankenhauses und einer Polizeistation lebte? Jedenfalls: Ohne Sirenen schlafen war gar nicht so einfach.

Als ich das überwunden und die Stille in mich eingebaut hatte, schlief ich tief und ohne Sorge. Und dann der Weg mit dem Auto von einer Himmelsrichtung in die andere, zunächst auch eine Überwindung, vor allem, hier wegzufahren, aber dann: das Heimkommen! Und diese Luft!

Hier wird der Frühling so satt sein; und als ich mit dem Fahrrad, das ich schon ewig eingemottet hatte, noch eine Runde hier herumfuhr, dachte ich, ich wohne jetzt dort, wo andere Urlaub machen. Das stimmt zwar so nicht, und wer weiß, wo ich wohne, würde spöttisch auflachen, however. Ich fühle mich eben so.

Natürlich ist noch nicht alles an seinem Platz. Selbst die Möbel haben Jetlag. Ich renne ohne Unterlass durch die Räume und suche Dinge, manchmal vergesse ich, was ich suchte, weil es sehr viel ist. Alles war sehr viel in den letzten Wochen. Zum Glück habe ich das alles nicht alleine machen müssen, sondern zu zweit. Zum Glück.

Draußen wartet Blau und singt. Die Stadt hat gewonnen, ich bin weg. Ihr letzter Streich ist, dass es keine Ringbahn gibt, die mich zur Arbeit fahren könnte. Mein letzter Streich ist, dass ich dann eben auch keine wunderbare alte Dame inmitten der Stadt werde, die mit Klunkern an den Ohren und gütigen Augen ihren kleinen Einkaufsbeutel 200m nach Hause schleppt.

Ich werde sehr alt werden, ich werde sehr gütig sein, ich werde an sehr großen Ohren sehr große Klunker tragen, aber eben nicht in Hoheluft.

 

 

 

 

 

 

Der Soundtrack von gestern.

Gestern fuhr ich mit dem Auto durch die Straßen meiner Kindheit. Es verwirrte mich sehr, dass die Schaukel auf dem Spielplatz jetzt woanders steht. Aber vielleicht ist das gut, dachte ich, schließlich ist damals ein Junge wegen der Schaukel gestorben. Die Rutsche ist noch dieselbe, aber die habe ich nie benutzt, langweilig war sie, auf ihr konnte man weder nachdenken noch sprechen.

Niemand war auf der Straße – der ehemalige Edeka ist jetzt ein Kiosk, davor war er doch ein Getränkemarkt gewesen; immerhin ist es noch ein Laden, aber kein Kind lief dort entlang, um Milch zu kaufen oder Fleischwurstscheiben.

Es saßen keine alten Damen auf den Bänken und auch keine Menschen mit Bierdosen daneben. Es schien, als sei das ganze Universum dort verschwunden; es gab keine Stockfuchtelfrauen und keine Kriegsgeschichtenerzählerinnen mehr auf dem Fußweg.

Und wo war der Mörder.

Es gab keine Kinder, die auf der Straße Ball spielten, ich konnte da einfach durchfahren, ohne anzuhalten und darauf zu warten, dass alle kleinen Geschwister vom Asphalt gezogen wurden.

Die Mülltonnen wirkten klein. Es standen mehr Häuser dort als früher und keine Katze schlich umher. Es gab auch keine alten Männer mehr, die wütend waren, aber still und ihre Kreise zogen.

Mein Elternhaus stand noch dort. Das, was meine Höhle gewesen war, war nunmehr ein Vorgarten.

Der Fußweg war schmaler, denn es parkten viele Autos dort, auf beiden Seiten. Ich fuhr weiter und fragte mich, wo D. jetzt wohl wohnt. Und B. und J. Und M. Und F. Und ob A. noch Kontakt zu seiner Großmutter hat.

Die wahrscheinlich gar nicht mehr lebt. So wie auch ihr Hund nicht, der erste Hund, vor dem ich zunächst Angst hatte und dann keine mehr. Dann wurde ich eine Hundefreundin. So wie auch eine Eichhörnchenfreundin. Und eine Katzenfreundin.

Ich weiß, dass S. tot ist, viel zu früh gestorben. Wir haben uns nie voneinander verabschiedet. Das alles dachte ich, während ich dort langfuhr – und dass der Himmel über der Straße auch weniger groß aussah.

Am Ende der Straße dachte ich, es ist gut, dass ich über all diese Dinge ein Buch schreibe, weil es diese Zeit nicht mehr gibt. Und dass es noch Jahre dauern wird, bis alles im Buch steht, weil das Universum so groß war, wie sollte es da schnell gehen.

 

Wochenendnovelle im Angebot.

Für manche Dinge gibt es keine Wörter, z. B. für den Zustand, in dem man sich befindet, während der 20 Minuten bevor die Gäste kommen. Zumindest fragte @King_Gaddafi kürzlich auf Twitter nach einem Wort dafür, und ich wusste kein Wort.

Und deswegen habe ich eine Novelle geschrieben, und wer diese lesen möchte, kann sie gerne per Email bekommen.

Vielleicht ist es keine richtige Novelle, weil sie sehr kurz ist. Ich bitte um Nachsicht. Es ist meine erste Novelle.

Umzug und Synästhesie.

Obwohl ich kürzlich schrieb, ich wolle nicht mehr über meine Synästhesie schreiben (sondern nur noch aus ihr heraus), so merke ich gerade, dass sie noch einmal beschrieben werden möchte. Weil sich etwas ändern wird. Und da sich die Synästhesie nicht ändert, aber das Leben, bettelt sie schier um Aufmerksamkeit.

Während ich vor kurzem auf einer kleinen Reise diese Beeren fotografierte, dachte ich, ja, es ist richtig, ins Grüne zu ziehen. Weil ich viel früher aufstand als notwendig, zur klirrenden Elbe rannte, mich in die Beeren warf und nur die Stille um mich herum laut war. Das war am Fluss. Bald wird es Wald.

Im April geht es in die neue Wohnung. Sie liegt in einem Stadtteil, der einen grüngrauen Namen hat. Der Anfangsbuchstabe hat braune Locken. Die Wohnung liegt an einem Wald, ein Moor ist nicht weit, ein Teich, es wird leiser und dafür inniger werden.

Einen neuen Job habe ich auch, ab August. Er wird so anders sein als mein jetziger, dass die Synästhesie sich schüttelt vor Staunen. Und im Augenblick toben die Farbfreunde im inneren Raum, weil sie nicht glauben wollen, dass ich aus dem weißblauen Stadtteil, mit dem grauen Haar, in diesen graugrünen, brünetten Stadtteil ziehe und dann auch noch den grauweißen Job verlasse, um einen blauroten anzutreten.

Bis in die Träume verfolgen mich die Farben, rütteln mich wach und malen die Gedanken an. Und gleichzeitig schmiegt sich die alte Wohnung an; so wie Haare, die auf einmal gut sitzen, bevor wir zum Frisör gehen. Und dennoch ist es richtig. Der nächste Frühling findet ganz woanders statt. Und alle Farben kommen mit.

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