Über Steine, Judo und den Rest.

Als Kind dachte ich, es sei eine große Leistung, Tabletten ohne Wasser zu schlucken. Ich habe zu mir gesagt: „Das ist wie barfuß auf Steinen laufen“. Für mich war das Wichtigste im Urlaub, Hornhaut zu bekommen, das war mindestens wie eine Kriegsbemalung beim Fasching. Das Gefühl im Hals war so schmerzhaft wie das Steinelaufen. Aber es machte mich stark; unbesiegbar waren die, die das aushielten.

Genauso war es beim Judo. Wir mussten uns in eine Reihe stellen und der Judotrainer boxte uns in den Bauch. Einmal habe ich nicht angespannt, da wurde mir schlecht. Das habe ich dann nie wieder vergessen. Es war wichtig, sich zu konzentrieren.

Sich einprägen, welcher Gegner stinkt. Den schnell besiegen, weil man ihn dann los ist.

Dann dieses schnelle Radfahren. Bis man flog. Ohne Helm, auf Sommerasphalt, wissen wollen, ab wann man schwitzt. Eine Schramme bekommen. Noch eine. Noch eine. Ein kleines bisschen stolz sein unter den Tränen.

Zu eitel für die Regenhose sein. Mit nasser Hose in der Schule sitzen. Dort merken, wie die Haut prickelt und heiß wird.

Immer eine Kastanie in der Tasche, immer was fühlen. Oder einen weichen Stein. Jedes Tier haben wollen, manche finden, nie welche durchbringen, weinen.

Ein Tier bekommen, das beißt.

Der Rest kommt ins Buch.

 

 

 

 

 

Über meine nackte Tastatur und Sanddorn.

Warum ich hier so leise bin, hat auch damit zu tun, dass ich etwas tue, das ich nicht wollte. Weil das nämlich alle machen. Aber nur weil es alle machen, heißt es ja nicht, dass ich darauf verzichten müsste, so wie Atmen ja auch hilft, obwohl es alle machen.

Ich schreibe etwas Längeres, vielleicht wird es ein Buch.

Das Buch hat ein Thema, dem ich mich nur selten nähern kann, weil es zu aufregend ist, bzw. meinem Erinnerungs- und Wahrnehmungszentrum sehr viel abverlangt. Der Titel ist bereits vorhanden und ausgesprochen lang, aber ich verrate ihn nur manchmal und nur manchen und möchte wissen, ob sie dann auch so aufgeregt sind.

Warum jetzt doch ein Buch, obwohl ich doch damals ganz klar gesagt habe, ich möchte keines schreiben?

Zunächst habe ich das Buchkostüm von der Tastatur gerissen, es in Tausend Teile zerfetzt, von dramatischer Musik flankiert, und es dann in alle Winde verstreut – begleitet von einem höhnischen Lachen. Dann habe ich beschlossen, meinen allgemeinen Persönlichkeitsgroove in die Buchstaben fließen zu lassen, auch wegen der Freiheit.

Das höhnische Lachen wird mir noch vergehen, wenn ich eines Tages „an Verlage herantrete“. Ich stelle mir vor, dass ich das mit einem Aktenkoffer tue, den ich noch kaufen muss, und dass das Manuskript mit Schreibmaschine geschrieben ist, die ich noch kaufen muss.

Eines ist klar. Es wird noch lange dauern – weil das zweite Lesen schier unerträglich ist. Und weil ich mehr und mehr Details entdecke und einfüge und weil jedes Wort wunderbar sitzen soll. Es soll ein Buch werden, über das sich niemand ärgern muss.

Klar ist auch: Das wird kein Internetbuch. Entweder ich finde einen Verlag, oder eben nicht. Dann bleibt es ein Schubladenbuch. Die Schublade muss ich auch erst einmal kaufen. Man muss offenbar viel kaufen, wenn man ein Buch schreibt.

Bleibt die Frage, warum ich dieses Beitragsbild gewählt habe. Ich hätte gerne noch etwas über Sanddorn am Blauhimmel geschrieben, etwas über die Lücken zwischen den Beeren und über die Bedeutung der Lücke zwischen den Dingen. Und darüber, wie schön die Welt sein kann, wenn man sie lässt. Aber das wäre mir zu neunmalklug gewesen, deswegen habe ich darüber letztendlich doch nicht geschrieben.

An die Leserschaft.

Zu Beginn dieses Blogs hatte ich wohl befürchtet, dass mir nicht genug einfallen würde – denn ich fand soeben einen Notizzettel mit „Blog – Ideen“. Dass ich schon bald eine Datei eröffnen sollte, die „Blogbeiträge auf Vorrat“ heißt, war mir zu dem Zeitpunkt, als ich den Zettel schrieb, noch nicht bewusst.

Es stellte sich nämlich sehr schnell heraus, dass ich ein Thema gewählt habe, das schier unendlich ist. Über meine eigenen Synästhesien zu schreiben ist eine schöpferische Goldgrube. Wörter sind ein Schatz, der „nie alle geht“ (wie der Brei aus dem einen Märchen, dessen Titel mir entfallen ist, obwohl der Vergleich nicht passt, wie mir gerade auffällt, denn da gibt es doch einen Spruch, den das Mädchen sprechen muss und der der Mutter entfallen ist, damit der Brei aufhört zu fließen und außerdem produziert das Wort Brei das Gegenteil von Schnee im Mund und daher ziehe ich das Beispiel hiermit offiziell wieder zurück).

Zahlen habe ich bis jetzt vernachlässigt, was bestimmt an meinem Verhältnis zur Mathematik liegt. Doch Zahlen sind unendlich vorhanden, wenn ich nicht irre (Pi?!) und daher gibt es auch hier genug anzuschauen. Wenn ich nur an die Farbe 40 denke und wie sie sich verändert, wenn sie sich mit der 100 paart oder gar mit der 1000.

Wörter und Zahlen kommen ja auch noch in Sätzen unter bzw. in Gleichungen. Das ergibt wieder eine unerschöpfliche Quelle an Farbwesen und Bildern.

Und dann sind da noch zahllose Geräusche. Allein das Tippen auf der Tastatur, das wie eine Massage für die Sinne ist. Die Klaviatur der Buchstaben bedienen – es entstehen weite Bögen, kleine Staccato-Passagen und erhebende Augenblicke. Zum Beispiel wenn nach einigen Versuchen und unzufriedenem Löschen genau das Wort gefunden wird, das die eine Farbe annähernd beschreibt. Es ist ein weißzartes Klacken und hat sonnengelbe Tupfer bei manchen Anschlägen.

Und außerdem gibt es die Musik. Die Sehnsucht nach Unendlichkeit. Die für mich nicht leicht zu beschreiben ist. Brahms ist immer auch Emotion. Doch wenn ich die Farben betrachten will, die bei Brahms bekanntlich eher nüchtern sind, dann muss ich kurz einmal die Gefühle zur Musik beiseite legen. Sonst würde ich schreiben: Die Violinsonate sieht lieblichgold, zartgeborgenheitsfarben und gallensteinschön aus. Denn das entspräche meinen Gefühlen, denen ich eine Farbe leihen würde, um sie besser darzustellen.

Doch das ist nicht das, was genuine Synästhesie ausmacht, denn die zeichnet sich durch eine gewisse Unfreiwilligkeit aus. Und dann sieht Brahms eben nicht so wundervoll aus, wie er sich anhört. Die Diskrepanz zwischen Gefühltem und Gesehenem will sauber herausgearbeitet sein. Denn hier geht es schließlich um Synästhesie. Die vielen Wortwesen dagegen zeigen sich kooperativer und sind daher viel einfacher zu beschreiben.

Die Sehnsucht nach Unendlichkeit befällt auch mich, wenn ich an all das denke, was es noch zu beschreiben gilt. Ewig leben, allein um alles auszukundschaften, was sich in meinem inneren Raum verbirgt – oder zumindest lange leben, denn es gibt soviel zu sehen. Und dann gibt es ja noch das Außen, das zu bereisen ist.

Daher ist die Liste mit den „Blog – Ideen“ eine kleine, bescheidene Anekdote aus den Anfängen dieses Blogs. Ein liebegelber und samstäglich vollkornknäckebrotfarbener Dank an alle, die es lesen, denn Leser zu haben ist schon eine Inspiration für sich – ganz unabhängig von den diversen oben beschriebenen Goldgruben. Leser zu haben verleiht dem inneren Raum einen Glanz (und Flügel sowieso).

Blog – Ideen

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Verona Aprikosenstimme

Tiernamen

Taschengerüche.